Sehnenschmerzen | Midportion-Tendopathie


Die Midportion-Tendinopathie ist die am häufigsten auftretende Sehnenerkrankung der Achillessehne, lokalisiert am schwächsten Punkt, dem mittleren Abschnitt der Achillessehen. In der Regel resultiert sie aus chronischer Überlastung und wird durch den Begriff "gestörte Sehnenregeneration" am besten beschrieben. Der Midportion-Bereich zeigt je nach Krankheitsstadium reversible oder bereits dauerhafte degenerative Veränderungen.

 

Anatomie

 

Jede Sehne besteht aus mehreren Faszikeln, wobei jeder Faszikel viele Kollagenfasern enthält, und diese sich wiederum aus Fibrillen und Subfibrillen zusammensetzen. Die kleinste Einheit besteht aus Tenozyten (Sehnenzellen) und einer extrazellulären Matrix, in welcher sich Tropocollagen findet. Die streng hierarchische Anordnung dieser Strukturen verleiht gesundem Sehnengewebe enorme Widerstands-fähigkeit. Die Achillessehne, als gemeinsame Ansatzsehne der Wadenmuskulatur (M. soleus, M. gastrocnemius) an der Ferse, ist mit einer Tragkraft von knapp einer Tonne die größte und kräftigste Sehne im menschlichen Körper. Mit etwa 15 cm Länge kann sie grob in drei klinisch relevante Abschnitte eingeteilt werden:

 

1. Der muskulotendinöse Übergang

Er ist der kräftigste Teil der Sehne, in dem der Muskelbauch der Wade in ein Sehnengewebe übergeht (Breite etwa 6,8 cm).

 

2. Die Insertion

Sie repräsentiert den knöchernen Ansatz der Achillessehne an der Ferse und ist der zweitdickste Bereich (durchschnittlich 3,4 cm).

 

3. Der Bereich zwischen den genannten Abschnitten, auch als Midportion bekannt

Er ist mit etwa 1,8 cm der zarteste und anfälligste Teil, aufgrund der schlechteren Durchblutungssituation.

 

Epidemiologie

 

Die Achillessehne ist anfälliger für Verletzungen im Vergleich zu Sehnen von Muskeln, die nur über ein Gelenk ziehen. Der Zwillingswadenmuskel (M. gastrocnemius), der in die Achillessehne mündet, übt aufgrund seines Verlaufs über drei Gelenke (Kniegelenk, oberes Sprunggelenk, unteres Sprunggelenk) besonderen mechanischen Stress aus. Trotz ihrer Rolle als dickste und kräftigste Sehne im menschlichen Körper gibt es nur zwei Sehnenkomplexe, die häufiger reißen: die Rotatorenmanschette der Schulter und die Quadrizepssehne. Die Midportion-Tendinopathie stellt mit etwa 50–65 % die häufigste Verletzung der Achillessehne dar, besonders bei 35–45-jährigen Männern. Sportler, insbesondere in Sprung- und Laufsportarten, sind häufig betroffen, wobei bis zu 50 % der professionellen Läufer von einer Achillessehnen-Tendinopathie betroffen sein können. Im Breitensportbereich variiert die Prävalenz um die 10 %. Überraschenderweise führen trotz der Assoziation zur Sportüberlastung 30% der Patienten einen inaktiven Lebensstil, oft mit sitzenden Tätigkeiten.

 

Risikofaktoren

 

Hier können wir zwischen beeinflussbaren und nicht / nur bedingt beeinflussbaren Faktoren unterscheiden:

  • Unterforderung
  • Steigendes Lebensalter
  • Übertraining - Veränderte Insolin- oder Cortisonspiegel
  • Übergewicht - Vorfuß Varus-Stellung
  • Ernährung - Überpronation des Rückfußes
  • Trainingsfehler

Inaktivität lässt die Sehne altern, sie ist schlechter durchblutet, degeneriert schneller und ist verletzungsanfälliger. Sport ist nicht schädlich, sondern im richtigen Maß förderlich. Auch Übergewicht ist ein beeinflussbarer Risikofaktor für Achillessehnentendinopathie.

Das richtige Maß ist entscheidend! Studien unter Läufern zeigen, dass eine inadäquat schnelle Steigerung der Trainingsintensität, -umfänge oder ein schneller Wechsel der Bodenbeläge häufigste Auslöser von Überlastungsverletzungen der Achillessehne sind. Eine gute Trainingsplanung und -zusammensetzung sind daher entscheidend für die Sehnengesundheit. Aktuelle Forschung befasst sich mit dem Einfluss der Ernährung auf die Heilungsprozesse des Sehnengewebes, wobei positive Auswirkungen von Vitamin C auf die Sehnenregeneration bei Ratten gezeigt wurden. Mit steigendem Lebensalter verliert die Sehne an Elastizität und Stärke, wird anfälliger für Verletzungen. Veränderte Hormonspiegel, z.B. durch Grunderkrankungen oder Medikamenteneinnahme, beschleunigen den Alterungsprozess der Sehne. Fußfehlstellungen wie Vorfuß-Varus-Stellung und Überpronation des Rückfußes stehen ebenfalls in Zusammenhang mit Achillessehnen-Tendinopathie.

 

Beschwerden

 

Typischerweise zeigt sich eine morgentliche Steifigkeit an der Achillessehne mit sogenannten Anlaufschmerzen, begleitet von lokalem Druck- und Dehnungsschmerz. Die Symptome verbessern sich in der Regel unter moderater Belastung, wie etwa lockeres Laufen oder Gehen. Allerdings kehren die Schmerzen nach Beendigung der Aktivität zurück. Bei akuten entzündlichen Prozessen, wie bei der selten auftretenden Achillobursitis, neigen die Patienten dazu, eine Spitzfußstellung einzunehmen, um die Dehnung und den Druck auf die Sehne zu vermeiden und so den schmerzhaften mechanischen Stress zu reduzieren.

 

Stadien und Verlauf

 

Die Midportion-Tendopathie, von einer zunehmenden Degeneration begleitet, zeigt einen chronischen Verlauf. Die Sehnendegeneration lässt sich grundsätzlich in drei Stadien einteilen:

 

Stadium I

ist die Überlastungsreaktion (Reaktive Sehnenpathologie). Zu Beginn erhält die Sehne ein Überlastungstrauma. Als Antwort auf dieses Trauma beginnt sich das Sehnengewebe zu regenerieren. Dies geschieht durch eine sogenannte Zellproliferation (Wachstum bzw. Vermehrung von Zellen) und den Einbau von Proteinen. Hierdurch kommt es zur Verdickung der Sehne, welche versucht der Bealstung bei jedem Schritt standzuhalten. Das Kollagen bleibt in Stadium I intakt und nimmt keinen Schaden.

 

Stadium II

ist die ausbleibende Heilung (Sehnen Dysreapair). Durch anhaltende Belastung kommt es zu einer Veränderung der Kollagenmatrix und Kollagenzusammensetzung. Dies führt zu einer verminderten Belastbarkeit der Achillessehne. Das wiederum führt dazu, dass eine geringere mechanische Belastung als zuvor, schon eine Überlastung darstellt. Es entsteht ein Teufelskreis (Circulus vitiosus).

 

Stadium III

Endstadium (Endstage Degeneration). Wird Stadium 2 nicht behandelt endet es im Endstadium. Es zeigen sich starke Veränderungen der extrazellulären Matrix, insbesondere des Kollagens, sowie zur Neubildung von Gefäßen (Neovaskularisationen), die in das Sehnengewebe eindringen. Die Regenerationsfähigkeit des Sehnengewebes ist hier stark begrenzt.

 

Diagnostik und Bildgebung

 

Im ersten Schritt stehen die üblicherweise typische Anamnese sowie die körperliche Untersuchung durch den Arzt oder Therapeuten im Fokus. Häufig kann die Diagnose und einige potenzielle Auslöser bereits ohne weitere Maßnahmen identifiziert werden.

 

Die Identifikation von Risikofaktoren spielt eine entscheidende Rolle, um ein umfassendes Therapiekonzept zu erstellen und mögliche Störfaktoren für den Therapieerfolg nicht zu übersehen. Ergänzende Bewegungsanalysen, Fußdruckmessungen, Beweglichkeits- und Krafttestungen können wertvolle Hinweise auf muskuläre Defizite, Dyskoordination oder bestehende Dysbalancen liefern. Eine Schuhanalyse sowie die Untersuchung vorhandener Einlagen können potenzielle Fehlversorgungen oder ungeeignetes Schuhwerk aufdecken.

 

Als nächster Schritt sollte eine sonographische Untersuchung (Ultraschall) der Achillessehne erfolgen. Hierbei kann die Struktur der Sehne und des umgebenden Gleitgewebes beurteilt werden. Die einzelnen Stadien der Tendinose – Verdickung, Auseinanderweichen und Auflockerung der Kollagenstruktur sowie Neovaskularisationen – können identifiziert werden. Interessant ist die gezeigte Korrelation zwischen dem Grad der Neovaskularisationen und der Beschwerdesymptomatik. Veränderungen im Bereich des knöchernen Ansatzes sind in der Sonographie jedoch oft schwer zu identifizieren. In solchen Fällen oder bei Unsicherheiten sollte eine MRT-Untersuchung durchgeführt werden.

 

Therapie

 

Die Behandlung der Midportion-Tendinopathie sollte ganzheitlich gestaltet werden und folgende Therapiesäulen umfassen:

 

Säule 1:

Identifikation und Beseitigung von Risikofaktoren und Auslösern.

Säule 2:

Aktive konservative Therapie (Exzentriktraining, Fuß- und Beinachstentraining; Anti-Hyperpronationstraining speziell bei Knickfuß, Dehnung, Detonisierung).

Säule 3:

Passive konservative Therapie (ESWT, ACP/PRP, high-volume-injection, Sklerosierung).

Säule 4:

Chirurgische Therapie als letzte Option.

 

Im Verlauf der Therapie ist es entscheidend, alle beeinflussbaren Risikofaktoren oder Auslöser, wenn möglich, zu eliminieren. Eine Reduktion der mechanischen Belastung der Sehne kann dabei auf unterschiedliche Weisen erreicht werden. Ein entscheidender Baustein in der aktiven konservativen Therapie der Midportion-Tendinopathie ist das exzentrische Krafttraining der Wadenmuskulatur. Dieses Training ist akuteller Goldstandard in der konservativen Therapie und wurde erstmals von Alfredson et al. beschrieben. Die Übungen sollten über einen Zeitraum von 3 Monaten an 7 Tagen in der Woche zweimal täglich durchgeführt werden, bestehend aus je 3 Sätzen à 15 Wiederholungen mit gestrecktem Knie und leicht gebeugtem Knie. Der zusätzliche Einsatz von Flossing und Kinesiotaping, eine bewährte Praxis im Spitzensport, kann bei korrekter Anwendung eine gute Unterstützung bieten.

 

Kortisoninfiltrationen in, oder an die Achillessehen führen zum Absterben von Sehnengewebe und gilt als Kunstfehler!!!

 

Stoßwellentherapie

Die Stoßwellentherapie (ESWT = Extrakorporale Stoßwellen-Therapie) hat ähnliche Ergebnisse gezeigt und wird gängigerweise als Standardtherapie für die Midportion-Tendinopathie eingesetzt. Studien haben zudem gezeigt, dass die Kombination von Exzentriktraining der Wadenmuskulatur und Stoßwellentherapie die Resultate weiter verbessern kann.

 

Sklerosierungstherapie

Eine alternative Behandlungsmethode bei fortgeschrittener Degeneration ist die Sklerosierungstherapie. Unter Ultraschallführung wird das Medikament Polidocanol (Wirkstoff: Aethoxysklerol) gezielt in Bereiche mit fortgeschrittener Gefäßneubildung injiziert. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Reduktion der Neovaskularisation auch mit einer Schmerzreduktion einhergehen kann. Forscher haben teilweise eine vergleichbare Wirksamkeit im Vergleich zum chirurgischen Vorgehen beobachten können.

 

Eigenbluttherapie PRP oder ACP Therapie

Auch für die sogenannte PRP- (platelet-rich plasma) oder ACP- (autologous conditioned plasma) Therapie gibt es in neueren Studien positive Hinweise auf deren Wirksamkeit. Bei dieser Methode wird thrombozytenreiches Plasma, gewonnen durch Blutabnahme und Zentrifugierung, in den degenerierten Bereich injiziert, wodurch die Regeneration der Sehne durch körpereigene Wachstumsfaktoren gefördert werden kann.

 

Sonstiges

Versuchsweise und ohne wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen werden Dextrose (Proliferationstherapie) oder homeopathische Substanzen infiltriert. Nitroglyzering Pflaster zur Durchblutungsförderung, Ultraschall gestütztes Dry-Needling und niederfrequente Lasertherapie befinden sich im experimentellen Stadium. In schweren Fällen hat sich die Röntgenreizbestrahlung als wirksam erwiesen.

 

Operative Therapie

Chirurgische Eingriffe, als die vierte Säule der Therapie, sind therapieresistenten Verläufen vorbehalten. Die Diskussion über chirurgische Maßnahmen sollte in der Therapie der Midportion-Tendinopathie erst erfolgen, wenn konservative Ansätze vollständig ausgeschöpft sind. Das Ziel verschiedener Verfahren ist es, degenerierte Teile des Gleitgewebes zu entfernen und die Sehne zu debridieren („säubern“) oder zu augmentieren („verstärken“). Klassische offene Verfahren und neuere minimalinvasive Ansätze zeigen beide gute Ergebnisse mit Zufriedenheitsraten von über 80 %. Es wurde nachgewiesen, dass minimalinvasive Verfahren im Vergleich zu offenen Verfahren mit 5 % weniger postoperativen Komplikationen einhergehen.

 

Prognose

 

Durch eine konservative Therapie kommt es bei über 80% zu einer Besserung. Schmerzreduktion allein durch Exzentriktraining um 60%.

Zufriedenheitsraten nach OP: über 80%. Im Schnitt kommt es allein mit konsequentem Exzentriktraining zu einer Schmerzreduktion um 60%. Teilweise konnten in Studien sogar eine Reduktion des Schmerzlevels um bis zu 94 % gezeigt werden. Konservative Kombinationstherapien konnten in über 80% deutliche Besserung oder sogar eine Heilung erzielen.

Aber: Bei bis zu 5 % der betroffenen Profisportler erzwang die Achillessehne sogar ein vorzeitiges Karriereende.

Insgesamt handelt es sich also bei der Midportion-Tendinopathie um eine hartnäckige, zur Chronifizierung neigende, Sportverletzung, die nicht zu unterschätzen ist. In den richtigen Händen und mit genügend Disziplin des Betroffenen ist sie konservativ gut behandelbar. Entscheidend ist hierbei ein multimodaler frühzeitiger Therapieansatz und das Vermeiden oder Ausschalten von Risikofaktoren. Auch operative Therapieansätze zeigen Zufriedenheitsraten von über 80 %. Angesichts der höheren Komplikationsraten gegenüber konservativem Management sollte die konservative Therapie vor einer chirurgischen Intervention vollständig ausgeschöpft werden.