Morton Neurom


Bei einem Mortnon-Neurom handelt sich um eine schmerzhafte Verdickung des Nervengewebes, typischerweise zwischen dem dritten und vierten Mittelfußköpfchen, und gelegentlich auch zwischen dem zweiten und dritten Mittelfußköpfchen. Charakteristisch sind schwer vorhersagbare, einschiessende Vorfussschmerzen beim Gehen. Oftmals sind mehrere Nerven betroffen. Es ist der chronische Platzmangel zwischen den Mittelfussknochen, der im Verlauf der Zeit zur mechanischen Irritation der hier verlaufenden feinen Nerven führt.

 

Anatomie

 

Im Bereich des Ballens befinden sich die Zehengrundgelenke, auch Metatarsophalangeal-Gelenke (MTP-Gelenke) genannt. Hier bilden die Mittelfußknochen gelenkige Verbindungen mit den stammnahen Zehenknochen. Die Zwischenräume zwischen diesen Gelenken werden als Intermetatarsalfach oder Intermetatarsalraum bezeichnet. In diesem Bereich verlaufen nicht nur Arterien und Venen, sondern auch Nerven, die für die Versorgung der Zehen zuständig sind. Die Zehennerven stammen vom Nervus tibialis, dem Hauptnerv des Schienbeins. Dieser teilt sich im Bereich des Innenknöchels in kleinere Äste auf, die unter anderem in Richtung Intermetatarsalräume verlaufen. Kurz vor Erreichen der Zehen verlaufen die Nervenäste unter Bandstrukturen, die die Mittelfußknochen knapp unterhalb miteinander verbinden, darunter das Intermetatarsalband oder distale metatarsal transverse ligament (DMTL).

 

Epidemiologie

 

Das Morton-Neurom tritt durchschnittlich im Alter von etwa 50 Jahren auf. Frauen sind mit einem Verhältnis von 4:1 deutlich häufiger betroffen als Männer. Etwa 21% der Fälle zeigen eine beidseitige Ausprägung der Erkrankung. Zudem ist die Erkrankung besonders häufig bei Läuferinnen und Läufern anzutreffen, oft bereits deutlich früher als bei Nichtsportlern, etwa ab dem 20. Lebensjahr.

 

Risikofaktoren

 

Risikofaktoren für das Morton-Neurom lassen sich in biomechanische Faktoren und auslösende Verhaltensweisen unterteilen:

  • Spreizfuß und Zehendeformitäten
  • Überpronation
  • Vermehrte Beweglichkeit zwischen dem dritten und vierten Zehenstrahl
  • Laufsport mit hohen Trainingsumfängen
  • Spitzentanz im Ballett
  • Tragen von High Heels und engem Schuhwerk
  • Tragen von weichen Sohlen

Bei veränderter Anatomie wie beim Spreizfuß oder Zehendeformitäten kommt es oft zu Anpassungsreaktionen. Beim Spreizfuß werden die Zwischenräume zwischen den Zehengrundgelenken durch das aufgehobene Quergewölbe enger, was die mechanische Belastung der dort liegenden Nervenäste erhöht und ein Morton-Neurom verursachen kann.

Der Abrollvorgang beim Gehen führt zur Dorsalextension der Zehen im Grundgelenk, was die mechanische Belastung der Nerven im Intermetatarsalraum erhöht. Hohe Schuhe erzwingen eine ständige Streckung der Zehengrundgelenke und sind daher ebenfalls ein Risikofaktor. Weiches Schuhwerk fördert die Zehenstreckung in den Grundgelenken und kann das Problem verstärken oder provozieren.

Der Laufsport birgt das höchste Risiko unter den Sportarten durch die gleichförmige Belastung. Fehler in der Trainingssteuerung, unpassendes Schuhwerk oder kontraproduktive Einlagen können das Risiko erhöhen. Spitzentanz im Ballett setzt die Zehen extremen Belastungen aus und führt zu unphysiologischen mechanischen Belastungen, was ebenfalls das Auftreten des Morton-Neuroms begünstigen kann.

 

Beschwerden

 

Die Hauptbeschwerden des Morton-Neuroms lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Brennende Schmerzen auf der Fußsohlenseite zwischen den Mittelfußköpfchen
  • Schmerzen unter Belastung
  • Ausstrahlende Schmerzen in die direkt benachbarten Zehen
  • Einschießende Schmerzerlebnisse
  • Verschlimmerung durch enge Schuhe oder High Heels
  • Besserung nach dem Ausziehen der Schuhe
  • Besserung bei Massieren des Vorfußes
  • Kein unmittelbarer Schmerz unter den Mittelfußköpfchen

Die häufigsten Lokalisationen des Morton-Neuroms sind:

  1. Dritter Zwischenraum in 66 % der Fälle
  2. Zweiter Zwischenraum in 32 % der Fälle
  3. Vierter Zwischenraum in 2 % der Fälle

Das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Neurome oder Veränderungen der Nerven in der Bildgebung spricht eher gegen das Vorliegen eines klassischen Morton-Neuroms. In solchen Fällen sollten auch andere Schmerzursachen wie eine Metatarsalgie in Betracht gezogen werden.

 

Stadien und Verlauf

 

Eine gängige Stadieneinteilung ist nicht vorhanden. Entscheidend bei der Diagnosestellung sollten immer die Beschwerden des Patienten sein, da Befunde der bildgebenden Untersuchungen nicht zwangsläufig mit Beschwerden zusammenhängen. Ohne adäquate Therapie schreitet die Erkrankung häufig fort und verhindert längeres Gehen und laufintensive Sportarten. Ein frühzeitiger Start der konservativen Therapie ist entscheidend, um eine Operation zu verhindern oder aber zumindest lange herauszuzögern.

 

Diagnostik und Bildgebung

 

Der Ablauf der ärztlichen Untersuchung umfasst:

  1. Klinische Untersuchung
  2. Sonographie
  3. Röntgenbild zur Ausschlussdiagnostik
  4. MRT-Untersuchung
  5. Diagnostische Infiltration mit Lokalanästhetika
  6. Bewegungsanalyse zur Erkennung von Dysbalancen und Technikdefiziten

Die Diagnose des Morton-Neuroms basiert vorwiegend auf klinischer Prüfung. Die Bildgebung mittels Ultraschall oder MRT dient hauptsächlich zur Bestätigung der Diagnose und zum Ausschluss von Differentialdiagnosen. Schlüsselmerkmale sind Druckschmerzen zwischen den Zehengrundgelenken, Verstärkung durch Annäherung der Gelenke und der Mulder-Test. Sonographie und MRT können verdickte Nerven zuverlässig zeigen, wobei eine falsch positive Untersuchung vermieden werden sollte. Röntgenbilder oder MRT helfen, alternative Ursachen auszuschließen. Vor Therapiebeginn bestätigt eine diagnostische Infiltration die Verdachtsdiagnose, indem sie den Schmerz im Intermetatarsalraum ausschaltet.

 

Therapie

 

Ziel der konservativen Therapie ist es den mechanisch belasteten Bereich zwischen den Mittelfußköpfchen zu entlasten und somit die Symptome zu lindern. In Anbetracht nicht immer optimaler Operationsergebnisse sollte zunächst immer eine nicht-operative Therapie eingeleitet werden, um den mitunter ja auch nur leichten Beschwerden zu begegnen. So können Schmerzen beherrscht werden und eine Operation oft vermieden werden. Allerdings handelt es sich zumeist um eine rein symptomatische Therapie, die nur Symptome bekämpft, die Ursache allerdings nicht beheben kann. Die funktionlle Physiotherapie wird bei kleinen Neuromen mit 4-7 Millimeter Durchmesser eingesetzt. Diese funktionelle Physiotherapie kann bei kleineren Neuromen von 4-7 Millimetern ein Fortschreiten stoppen. Bei großen Neuromen über 10 Millimeter ist meist eine Operation notwendig. Die konservative Therapie beinhlatet:

  • Passive Mobilisation des Vorfußes
  • Platzschaffung zwischen den Mittelfußknochen
  • Aufbau des Vorfuß-Quergewölbes
  • exzentrisches Training der Wadenmuskulatur
  • Die Behandlung verkürzter Wadenmuskeln und fehlender Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk
  • Physikalische Maßnahmen wie Iontophorese oder Kyrotherapie

Schuhe- und Einlagentechnik

Bevor man mit Einlagentechnik beginnt, macht die Umstellung auf weites und weiches Schuhwerk Sinn, da der Nutzen von Einlagen wissenschaftlich nicht belegt ist. Die Schuhe sollten eine geringe Fersenprengung aufweisen (Höhendifferenz zwischen Ferse und Vorfuss). Schuhhersteller wie BÄR (breite Zehenbox und geringe Sprengug) oder auch Kybun (weicher Luftkissenschuh) können hier weiterhelfen. Wenn man zu Einlagentechnik greift, sollten Weichbettende Einlagensohlen verwendet werden. Harte stützende Einlagen mit Pelotten sind meist kontraproduktiv und wirken oft schmerzverstärkend. In die Einlagensohle kann eine Hohllegung eingearbeitet werden. Zudem können Pro- oder Supinationskeile verbaut werden.

 

Konservative ärztliche Therapie:

Am häufigsten kommt eine Infiltrationstherapie zur Anwendung. Dabei gibt es unterschiedliche Präperate welche zum Einsatz kommen. Die Wahl des Präperates, sowie die Vorgehensweise ist in Abängigkeit des Arztes. Die bekanntesten Infiltrationen sind Cortison-Präperate oder auch die Eigenbluttherapie (ACP). Die Cortisonspritze ist diagnostisch sinnvoll, wirkt therapeutisch aber meist nur vorübergehend. Auch die Injektion von Ethanol (4-30% Lösung) wird in seltenen Fällen angewendet. Alkoholinjektionen zeigten vergleichbare Wirkungen wie Cortison-injektionen und konnten sogar eine Größenreduktion des Neuroms erzielen. Alternativ wird derzeit die Injektion von Capsicain getestet (aktuell in der Studienphase). Zuletzt gibt es die Möglichkeit, ähnlich wie etwa beim Priformis-Syndrom, Injektionen mit schmerzlindernden Toxinen durchzuführen. Hier zeigen sich gute Ergebnisse, es fehlen allerdings Langzeitergebnisse. Die fokussierte und radiale Stoßwellen-therapie (ESWT) hat in mehreren Studien gezeigt, dass die Schmerzen bei Morton Neurom mit dieser Methode reduziert werden können. Auch der Einsatz der Radiofrequenztherapie wird getestet und hat Potenzial.

 

Operative Maßnahmen

Nach dem Ausschöpfen der konservativen Therapie wird das Morton-Neurom operativ entfernt. Zusätzlich hat die Forschung darauf hingewiesen, dass das Querband (DTML) sinnvollerweise durchtrennt wird. Es gibt im Wesentlichen zwei Zugangswege:

 

1. Dorsaler Zugang (Schnitt am Fußrücken):

In der Regel bevorzugen die meisten Operateure diesen dorsalen Zugang bei der ersten Operation. Im Vergleich zum alternativen plantaren Zugang zeigen Studien geringere Komplikationsraten (Infektionen, Narbenkomplikationen) und eine frühere Belastungsfähigkeit des Fußes.

 

2. Plantarer Zugang (Schnitt an der Fußsohle):

Dieser operative Zugang wird gewählt, wenn die erste Operation nicht den gewünschten Erfolg bringt und eine Folgeoperation erforderlich ist. Einigen Studien zufolge kann bei Folgeeingriffen über den plantaren Zugang sogar ein besseres Operationsergebnis erzielt werden. Dennoch sind viele Operateure davon überzeugt, dass auch bei Revisionseingriffen über den dorsalen Zugang bessere Resultate erzielt werden können.

 

Prognose

 

Die Erfolgsrate der nicht operativen Therapie variiert stark zwischen 30% und 90% je nach Literatur. Es wird jedoch einheitlich betont, dass es sich meist um ein äußerst hartnäckiges Problem handelt, das nicht selten eine operative Behandlung erfordert. Operative Entfernungen des Morton-Neuroms zeigen Erfolgsraten zwischen 51% und 85%, verbunden mit weniger Komplikationen und schnellerer Belastbarkeit beim dorsalen Zugangsweg. Etwa 20–40% der Revisionsoperationen, also der notwendigen Folgeoperationen nach erfolgloser primärer Operation, sind nicht erfolgreich. Daher ist es besonders wichtig, über Chancen und Risiken aufzuklären, um keine falschen Erwartungen bezüglich des Operationserfolgs zu schüren.