Sehnenansatzschmerzen | Insertionstendopathie


Die Insertionstendinopathie der Achillessehne (Insertional Achilles Tendinopathy, IAT) bezeichnet eine Erkrankung des Sehnenansatzes an der Ferse (Calcaneus). Die Entstehung der IAT ist multifaktoriell und kann wie die Midportion-Tendinopathie als Folge von Überlastung auftreten. Erkrankungen der knöchernen Sehnenansätze werden auch als Enthesiopathie bezeichnet.

 

Anatomie

 

Die Achillessehne, als gemeinsame Ansatzsehne der Wadenmuskulatur (M. soleus, M. gastrocnemius) an der Ferse, ist mit einer Tragkraft von knapp einer Tonne die größte und kräftigste Sehne im menschlichen Körper. Mit etwa 15 cm Länge kann sie grob in drei klinisch relevante Abschnitte eingeteilt werden:

 

1. Der muskulotendinöse Übergang

Er ist der kräftigste Teil der Sehne, in dem der Muskelbauch der Wade in ein Sehnengewebe übergeht (Breite etwa 6,8 cm).

 

2. Die Insertion

Sie repräsentiert den knöchernen Ansatz der Achillessehne an der Ferse und ist der zweitdickste Bereich (durchschnittlich 3,4 cm).

 

3. Der Bereich zwischen den genannten Abschnitten, auch als Midportion bekannt

Er ist mit etwa 1,8 cm der zarteste und anfälligste Teil, aufgrund der schlechteren Durchblutungssituation.

 

Die Verankerung der Sehne im Knochengewebe ist eine anatomische Herausforderung und entscheidend für die Biomechanik. Die exponierte Lage des Sehnenansatzes (Enthese) erhöht die mechanische Belastung, wobei Veränderungen der knöchernen Anatomie und äußerer Druck direkte Auswirkungen auf den Sehnenansatz haben können. Die Achillessehnen-Insertion ist daher zusätzlich mit Faserknorpel, Schleimbeuteln und einem Fettkörper (Kager-Fettkörper) ausgestattet, um zusätzliche mechanische Belastbarkeit zu gewährleisten.

 

Epidemiologie

 

Etwa 20–25% der Achillessehnenerkrankungen betreffen den Sehnenansatz (die Insertion), wobei die IAT seltener ist als die Midportion-Tendinopathie (über 50%). Auch unter Läufern sind häufig Patienten vertreten, wobei Spitzenläufer ein etwa 10-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung haben. Inaktivität ist jedoch deutlich schädlicher für die Sehne und führt zur vorzeitigen Alterung. Bis zu 4% der Nicht-Athleten leiden an einer Insertionstendinopathie.

 

Risikofaktoren

 

Es lassen sich größtenteils dieselben Risikofaktoren für die Insertionstendinopathie wie für die Midportion-Tendinopathie identifizieren Hier können wir zwischen beeinflussbaren und nicht / nur bedingt beeinflussbaren Faktoren unterscheiden:

 

Beeinflussbar: Nicht / nur bedingt Beeinflussbar:

  • Unterforderung - Steigendes Lebensalter
  • Übertraining - Veränderte Insolin- oder Cortisonspiegel
  • Übergewicht - Vorfuß Varus-Stellung
  • Ernährung - Überpronation des Rückfußes
  • Trainingsfehler

Inaktivität lässt die Sehne altern, sie ist schlechter durchblutet, degeneriert schneller und ist verletzungsanfälliger. Sport ist nicht schädlich, sondern im richtigen Maß förderlich. Auch Übergewicht ist ein beeinflussbarer Risikofaktor für Achillessehnentendinopathie.

Das richtige Maß ist entscheidend! Studien unter Läufern zeigen, dass eine inadäquat schnelle Steigerung der Trainingsintensität, -umfänge oder ein schneller Wechsel der Bodenbeläge häufigste Auslöser von Überlastungsverletzungen der Achillessehne sind. Eine gute Trainingsplanung und -zusammensetzung sind daher entscheidend für die Sehnengesundheit. Aktuelle Forschung befasst sich mit dem Einfluss der Ernährung auf die Heilungsprozesse des Sehnengewebes, wobei positive Auswirkungen von Vitamin C auf die Sehnen-regeneration bei Ratten gezeigt wurden Mit steigendem Lebensalter verliert die Sehne an Elastizität und Stärke, wird anfälliger für Verletzungen. Veränderte Hormonspiegel, z.B. durch Grunderkrankungen oder Medikamenteneinnahme, beschleunigen den Alterungsprozess der Sehne. Fußfehlstellungen wie Vorfuß-Varus-Stellung und Überpronation des Rückfußes stehen ebenfalls in Zusammenhang mit Achillessehnen-Tendinopathie. Bei bestimmten Begleitbeschwerden sollte an rheumatische Erkrankungen gedacht und ggf. abgeklärt werden, wobei zu betonen ist, dass der überwiegende Teil der Patienten mit Ansatzproblematik nicht davon betroffen ist.

 

Beschwerden

 

Beschwerden bei der Insertions-Tendinopathie umfassen eine Schwellung des Ansatzbereichs, Anlaufschmerz und Zunahme der Schmerzen unter Belastung. Die Symptomatik ähnelt einem Midportion-Problem, wobei auch hier typische Anlaufschmerzen auftreten. Die Schmerzen werden jedoch hauptsächlich im distalen Bereich, also im Bereich des Ansatzes, wahrgenommen. Unter Belastung verstärken sich die Beschwerden in der Regel, und es zeigt sich oft ein ausgeprägter Druckschmerz im Ansatzbereich.

 

Stadien und Verlauf

 

Die Klassifikation der Ansatztendinopathien in zwei Formen, kalzifizierende (ICAT) und nicht-kalzifizierende (IAT), ist klinisch relevant und kann in Bezug auf therapeutische Optionen und Prognosen von Bedeutung sein. Die Insertionstendinopathie neigt in der Regel zu einer fortschreitenden Degeneration (Tendinose) und zeigt häufig einen chronischen Verlauf. Die Sehnendegeneration lässt sich grundsätzlich in drei Stadien einteilen:

 

Stadium I

ist die Überlastungsreaktion (Reaktive Sehnenpathologie). Zu Beginn erhält die Sehne ein Überlastungstrauma. Als Antwort auf dieses Trauma beginnt sich das Sehnengewebe zu regenerieren. Dies geschieht durch eine sogenannte Zellproliferation (Wachstum bzw. Vermehrung von Zellen) und den Einbau von Proteinen. Hierdurch kommt es zur Verdickung der Sehne, welche versucht der Bealstung bei jedem Schritt standzuhalten. Das Kollagen bleibt in Stadium I intakt und nimmt keinen Schaden.

 

Stadium II

ist die ausbleibende Heilung (Sehnen Dysreapair). Durch anhaltende Belastung kommt es zu einer Veränderung der Kollagenmatrix und Kollagenzusammensetzung. Dies führt zu einer verminderten Belastbarkeit der Achillessehne. Das wiederum führt dazu, dass eine geringere mechanische Belastung als zuvor, schon eine Überlastung darstellt. Es entsteht ein Teufelskreis (Circulus vitiosus).

 

Stadium III

Endstadium (Endstage Degeneration). Wird Stadium 2 nicht behandelt endet es im Endstadium. Es zeigen sich starke Veränderungen der extrazellulären Matrix, insbesondere des Kollagens, sowie zur Neubildung von Gefäßen (Neovaskularisationen), die in das Sehnengewebe eindringen. Die Regenerationsfähigkeit des Sehnengewebes ist hier stark begrenzt.

 

Diagnostik und Bildgebung

 

Die Diagnostik und Bildgebung der Insertionstendinopathie umfassen mehrere Schritte:

 

  • Ausführliche Anamnese und Erfassung der Risikofaktoren
  • Körperliche Untersuchung, inklusive Inspektion der Schuhe und ggf. vorhandener Einlagen
  • Bewegungsanalyse zur Erfassung der biomechanischen Situation und weiterer Risikofaktoren
  • Ultraschall-Untersuchung der Achillessehne
  • MRT-Untersuchung der Achillessehne
  • Röntgenbild des Fußes und OSG (Oberes Sprunggelenk) in 2 Ebenen im Stehen

Eine Bewegungsanalyse ist sinnvoll, um biomechanische Situationen und Bewegungsabläufe zu beurteilen und mögliche Fehlerquellen zu identifizieren. Zudem sollten nicht nur die Füße, sondern auch Schuhe und gegebenenfalls vorhandene Einlagen auf Fehlerquellen untersucht werden. Bei der Diagnostik der Insertionstendinopathie sollte neben den bekannten Risikofaktoren und Auslösern auch ein besonderes Augenmerk auf Grunderkrankungen des rheumatischen Formenkreises gelegt werden. Das Abfragen von Symptomen rheumatischer Erkrankungen oder chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist wichtig, um Differenzialdiagnosen, die mit Entzündungen (Enthesitiden) der Sehnenansätze einhergehen können, nicht zu übersehen. Die Familienanamnese, insbesondere das Vorhandensein rheumatischer Erkrankungen bei Eltern oder Geschwistern, sollte ebenfalls berücksichtigt werden.

Nach Anamnese und körperlicher Untersuchung, bei der gegebenenfalls Verknöcherungen des Sehnenansatzes als Verdickung tastbar sind, folgt eine sonographische Untersuchung (Ultraschall) der Achillessehne. Hierbei können Strukturveränderungen der Sehne, Auseinanderweichen und Auflockerung der Kollagenstruktur sowie Neovaskularisationen je nach Stadium der Tendinose beurteilt werden. Es besteht eine Korrelation zwischen dem Grad der Neovaskularisationen und der Beschwerdesymptomatik.

Veränderungen im Bereich des knöchernen Ansatzes sind in der Sonographie schwerer zu identifizieren, daher können Röntgen- oder MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. Die Röntgenuntersuchung bietet belastete Aufnahmen im Stehen, die Einblicke in die knöcherne Stellung und eventuelle Fehlstellungen geben können.

 

Therapie

 

Die Therapie einer Insertionstendopathie unterscheidt sich im wesentlich nicht zu anderen gängigen Therapien bei Sehenenerkrankung. Eine ausführliche Information zur Behandlung der Insertionstendopathie finden Sie unter der Midportion-Tendopathie. Für weitere Informationen klicken Sie bitte hier.

 

Prognose

 

Bei der Insertionstendinopathie zeigt sich insgesamt eine geringere Wirksamkeit konservativer Maßnahmen im Vergleich zur Midportion-Tendinopathie. Etwa ein Drittel der Patienten spricht dennoch positiv auf eine alleinige Stoßwellentherapie an. Die Kombination verschiedener konservativer Ansätze erzielt die besten Ergebnisse, obwohl die Wirksamkeit insgesamt herausfordernder ist.

Die Klassifizierung in kalzifizierende (ICAT) und nicht-kalzifizierende (IAT) Formen ist klinisch relevant. Konservative Maßnahmen sind bei verkalkter Insertion weniger wirksam als bei kalkfreiem Ansatz. Dennoch bleibt die Empfehlung, zunächst konservative Ansätze für mindestens sechs Monate zu verfolgen, bevor eine Operation in Betracht gezogen wird. Besonders ungünstig für die konservative Erfolgsrate ist die gleichzeitige Existenz einer Haglund-Exostose, die ein dreifach erhöhtes Risiko für Therapieversagen mit sich bringt.

Angesichts des geringeren Ansprechens auf konservative Maßnahmen rückt die operative Therapie stärker in den Fokus. Nach chirurgischer Behandlung zeigen sich durchschnittliche Zufriedenheitsraten von etwa 89%.